Am 17. und 18. März 2018 bin ich vom ostbelgischen Musikverband “Födekam” eingeladen, Workshops zum Thema “Zukunft der Musikvereine” zu halten. Im Vorfeld dieser beiden Veranstaltungen hat Petra Förster von der Tageszeitung “Grenzecho” ein Interview mit mir geführt, das am vergangenen Donnerstag erschienen ist. Da in meinen Antworten viel davon drin steckt, wie ich diese Workshops strukturiere und durchführe veröffentliche ich meine Antworten auch hier auf meiner Website www.kulturservice.link.
Petra Förster: Das Thema Ihres Seminars lautet “Die Zukunft unserer Vereine: Probleme erkennen, Lösungswege finden”. Um mal einen Überblick zu bekommen: Mit welchen Problemen haben Musikvereine heute zu kämpfen?
Alexandra Link: “Es gibt vier Bereiche in den Vereinen, in denen es Probleme geben kann: Organisation, Musik/Musiker, Jugend und Finanzen. Da jeder Verein einzigartig ist, sich jeweils in einem anderen Umfeld befinden, können die Probleme jeweils sehr unterschiedlich bzw. unterschiedlich ausgeprägt sein. Deshalb ist es wichtig, dass die Vereine von Zeit zu Zeit ihren Ist-Stand überprüfen und eventuelle Probleme analysieren.
In vielen Vereinen stehen die Sicherung der zukünftigen Besetzung, die Ausrichtung des Vereines an sich, die Überlastung einiger Vorstandsmitglieder und ähnliches an.”
Was hat sich im Gegensatz zu früher verändert? Warum engagieren die Leute sich nicht mehr so in Vereinen? Ist das Angebot zu groß geworden? Oder ist das Smartphone schuld?
AL: “Natürlich gibt es gesellschaftliche Aspekte im Zusammenhang mit Problemen in den Vereinen. Ich sehe aber nicht, dass sich die Leute in den Vereinen nicht mehr engagieren. Es kommt jedoch in zunehmendem Maße auf den Verein an sich an, auf die Qualität von Musik und Organisation, sowie die Ausprägung der sozialen Bindungen innerhalb des Vereins. Probleme innerhalb eines Vereins mit den äußerlichen Gegebenheiten zu „entschuldigen“ wäre zu einfach, hemmt den Fortbestand, das Vorankommen und das Finden von Lösungsansätzen. Die Gesellschaft können wir nicht ändern. Aber wir können schauen, welche Lösungswege es innerhalb des Vereins trotz der sich ändernden Gesellschaft gibt.”
Nun geht es ja nicht darum zu jammern, sondern Lösungswege zu finden. Was können die Musikvereine selbst tun, um Mitglieder zu finden?
AL: “Sich zunächst einmal klar machen, welches Ziel der Verein verfolgt und darauf hin die Mission definieren. Die Qualität in Musik, Organisation, Ausbildung und Außendarstellung verbessern. Und natürlich im Sinne der Wirtschaftlichkeit denken und handeln. Ich nenne das Zusammenspiel von Mission, Qualität und Wirtschaftlichkeit „Spannungsfeld Musikverein“. Konkrete Lösungswege und Ideen erarbeiten bzw. entwickeln wir innerhalb des Workshops.”
Vor allem mangelt es an Nachwuchs. Wie kann man Jugendliche erreichen und begeistern?
AL: “Ein gutes Vorbild zu sein hilft zunächst einmal sehr. Das Orchester / der Verein ist im Idealfall so attraktiv, dass man einfach dabei sein will. Dies ist schnell gesagt und schwierig umzusetzen. Zunächst einmal versuchen, die Voraussetzungen im Verein selbst zu schaffen. Dann für eine permanente positive Außendarstellung sorgen. Nicht zuletzt die jungen Musikerinnen und Musiker von Anfang an in den Verein integrieren. Jugendausbildung ist nicht die einzige Variante, den Fortbestand des Vereins zu sichern, wenn auch die Wichtigste. Das Vereinsleben so attraktiv gestalten, dass weniger Mitglieder den Verein verlassen eine weitere Möglichkeit. Die Reaktivierung „Ehemaliger“ sowie die Ausbildung von Erwachsenen gehören hier auch dazu.”
Die Mitglieder sind eine Sache, aber es fehlt auch an Publikum. Sind die Konzerte vielleicht nicht mehr so attraktiv?
AL: “Der Freizeitmarkt ist hart umkämpft. Wir in den Vereinen müssen uns also schon gut überlegen, welche Art von Konzerten wir veranstalten. Zunehmend wird das „Besondere“ und die Qualität ausschlaggebend sein, ob unsere Konzerte besucht werden oder nicht. Je größer der Verein, desto weniger die Sorge, ob der Saal voll wird oder nicht. Denn im Publikum sitzen ja meistens Menschen, die mit irgendjemandem auf der Bühne verwandt oder befreundet sind. Diese Tatsache macht mir so keine Sorge, denn jeder Besucher, der begeistert nach Hause geht, ist Werbeträger für kommende Konzerte.”
Was ist wichtig, um ein attraktives Event zu präsentieren? Heute wird ja fast alles als Show gestaltet. Müssen da auch die Chöre und Musikvereine mitziehen?
AL: “Das Wort „Show“ hört sich in diesem Zusammenhang negativ besetzt an. Aber in der Tat, unsere Konzerte müssen kreativer und attraktiver werden. Oftmals hilft es, das Konzert an einem besonderen Ort stattfinden zu lassen, eine Kooperation einzugehen, die auch für eine neue Zielgruppe in unseren Konzerten sorgt oder das Konzert unter ein Thema/Motto zu stellen und dieses auch mit Äußerlichkeiten darzustellen. Und wieder möchte ich betonen, dass das, was wir in unseren Konzerten machen, qualitätsvoll ist – nicht nur auf die Musik an sich bezogen, sondern auch auf die „Äußerlichkeiten“.”
Müssen die Vereine nicht auch lernen, sich richtig zu vermarkten? Wie können sie das tun?
AL: “Auf jeden Fall! Sobald die Voraussetzungen innerhalb eines Vereins geschaffen sind, muß der Verein für eine permanente positive Außendarstellung sorgen. Dies zeigt nicht nur zukünftigen Mitgliedern, dass es sich lohnt dabei zu sein, sondern auch den Gemeinden und Sponsoren, dass der Verein unterstützenswert ist. Langfristig im Marketing zu denken vereinfacht auch die kurzfristige Bewerbung eines Konzerts.”
Immer wieder wird auch beklagt, dass in den Vereinen Leute fehlen, die Verantwortung übernehmen möchten. Wie kann man dieses Problem lösen? Vielleicht mit anderen Strukturen?
AL: “Hier sind bestimmt andere Strukturen gefragt. Der Grundgedanke ist, die außermusikalischen Aufgaben innerhalb eines Vereins auf so viele Schultern wie möglich zu verteilen. Eine Hilfe ist hier eine teamorientierte Vorstandsarbeit mit wenigen Verantwortlichen, denen jeweils ein Team für die Bewältigung der Aufgaben zur Seite steht. Wichtig dabei ist ein Organigramm mit der Dokumentation der Verantwortlichkeiten zusammen mit den schriftlichen „Stellenbeschreibungen“ der einzelnen Vorstands- und Teammitglieder. Wenn ein Aufgabengebiet klar umrissen schriftlich vorliegt, kann eine Person viel besser entscheiden, ob er dieses Aufgabengebiet annimmt oder nicht. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass für zeitlich begrenzte Projekte oder für einzelne Teilgebiete der Organisation einfacher Personen motiviert werden können.
Die eine, allgemeingültige Organisationsstruktur gibt es im Übrigen nicht. Mit dieser Thematik muß sich jeder Verein selbst auseinander setzen und sich die optimale Struktur – die sich mit der Zeit auch wieder ändern kann – geben.”
Stichwort Fusion: Kann das eine Lösung für manchen Verein sein? Oder verschiebt man damit manches Problem nur?
AL: “Es muß nicht immer gleich eine Fusion sein. Es kann auch erst einmal ein gemeinsames Projekt oder eine Kooperation sein. Die Vereine sind meistens über eine sehr lange Zeit gewachsen und haben eigene Rituale und Traditionen entwickelt, die nicht so schnell über Board geworfen werden können und sollen. Aber um Kooperationen und gemeinsame Aktionen wird man in der Zukunft nicht herumkommen.”
Sie sind selbst Musikerin und in Vereinen aktiv. Was motiviert Sie?
AL: “Da bin ich nicht anders als andere Musikerinnen und Musiker. Mich motivieren vor allem das gemeinsame Musizieren und die freundschaftlichen Bindungen innerhalb eines Vereins. ”
Ein herzliches Dankeschön an Petra Förster für den Abdruck in der Zeitung Grenzecho.